Über die Teilnehmer 2022 – Ostkreuzschule

In diesem Jahr waren die Studierenden der Ostkreuzschule für Fotografie eingeladen zu einem Wettwerb. Wir möchten daher die Schule und die Teilnehmer hier vorstellen.

Ostkreuzschule für Fotografie

Die Ostkreuzschule ist eine Schule für Fotografie in Berlin, gegründet 2005 von Thomas Sandberg und Werner Mahler. Beide waren auch Mitgründer der Agentur Ostkreuz, die seit den frühen Neunziger Jahren eine feste Größe in der Fotowelt ist. Wie auch die Agentur steht die Schule in einer Tradition humanistischer Autorenfotografie, einer Fotografie, die sich der Welt zuwendet, über die reine Abbildung der Wirklichkeit aber hinausgeht und eine Haltung zu den Dingen er-
kennen lässt.

Das Studium dauert intensive dreieinhalb Jahre und gliedert sich in drei Phasen: Basisklasse, Fachklasse und Abschlussklasse. Die Student:innen lernen zunächst Grundsätzliches – analoge und digitale Fototechnik, Grundlagen der Gestaltung –, um sich dann in der Fachklasse neu zu finden und erste längere Strecken allein zurückzulegen. Neu gehen lernen heißt hier neu sehen lernen, und so versteht sich auch die Ostkreuzschule als eine Schule des Sehens. Eine eigene Sprache zu entwickeln, der visuellen Welterforschung Nachhaltigkeit und Tiefe zu geben, erfordert für viele eine Neujustierung alter Gewissheiten – der Verstand allein reicht nicht aus, um sich
und anderen ein Bild zu machen, das den Moment überdauert. Kopf, Herz und Technik bilden im besten Fall eine Symbiose, das ist nicht anders als bei Musiker:innen, Maler:innen oder Autor:innen. Die Entwicklung der eigenen fotografischen Handschrift wird von den Dozent:innen und Mit-studierenden eng begleitet, in ausführlichen gemeinsamen Bildbesprechungen wird auf jede und jeden individuell eingegangen. Es ist der Anspruch der Schule, individuelle Persönlichkeitsentwicklung in Gemeinschaft zu ermöglichen.

Schließlich erarbeiten die Student:innen am Ende des Studiums eine umfangreiche Fotoarbeit, die in einer Abschlussausstellung präsentiert wird. Die Projekte bewegen sich meist im weiten Feld zwischen journalistischer und künstlerischer Fotografie, zwischen erzählendem, und einem völlig freien, auch das Medium selbst reflektierenden Ansatz. Es gibt dafür keine Vorgaben, keine Regeln, es ist an den Absolvent:innen selbst, sich ein Thema und einen Zugang zu suchen, der ihnen entspricht.

Von Zeit zu Zeit werden von außen Fotoprojekte an die Schule herangetragen. Die Schule und ihre Dozent:innen – aktive Fotografinnen und Fotografen mit langjähriger Erfahrung – sehen
es als ihre Aufgabe an, die Student:innen behutsam an die Realitäten des Berufs heranzuführen und Raum zu lassen für persönliche Entfaltung. Deshalb passen viele dieser Projektvorschläge nicht in unsere Abläufe, nicht wenige haben gar zum Ziel, günstig an gute Bilder zu kommen. Aber manchmal passt es eben doch – und wenn es passt, dann passt es gut –, so wie in diesem Fall.
Der einzige Rahmen, in dem bei uns die Verwirklichung eines solchen Vorhabens möglich ist, ist die Fachklasse. Wenn die Bereitschaft der Projektpartner gegeben ist, sich auf einen ungewissen Ausgang einzulassen, wenn das Thema interessant ist und den Student:innen genügend Freiraum lässt, wenn es eine angemessene Präsentation der Arbeiten gibt: Dann sind wir gern dabei.

Mit dem Oder-Projekt 2022 kommen wir zurück zu einem Thema, das unmittelbar nach der Gründung der Ostkreuzschule bereits eine Rolle spielte, denn schon der allererste Jahrgang hat sich im Jahr 2006 mit der Oder auseinandergesetzt. Damals beschäftigten wir uns mit dem
Fluss und unseren polnischen Nachbarn unter dem Eindruck der EU-Osterweiterung, heute sind es der Krieg in der Ukraine und seine Folgen, die ihre Schatten auch auf diese Grenzregion werfen. In gewisser Weise schließt sich hier ein Kreis, im Großen wie im Kleinen. Über die Auswirkungen des aktuellen Weltgeschehens auf unsere Lebensrealität hinaus ist aber die Beschäftigung mit den Menschen an beiden Ufern der Oder, mit ihrer wechselvollen Geschichte, die hier noch immer sicht- und fotografierbar ist, und mit der durch den Fluss und den Menschen
geformten Landschaft eine Aufgabe, der sich noch viele weitere Fotografinnen und Fotografen stellen könnten – und sollten.

Ein knappes halbes Jahr haben die zwölf Student:innen an ihren Serien gearbeitet. Sie haben sich Themen überlegt, erste Bilder gemacht, sie mit ihren Mitstudierenden und Dozent:innen besprochen. Einige Ansätze wurden verworfen, neue gefunden. An den Ergebnissen dieses Oder-
Projekts lässt sich wunderbar ablesen, wohin die richtige Konstellation von Partnern und ein gutes Thema – gut, weil es erlaubt, in die Tiefe zu gehen, gut, weil es ein fotografisches Thema ist –, wohin also ein gutes Thema und die intensive Beschäftigung damit führen können: zu Erkenntnis und sinnlicher Erfahrung von Mensch und Welt.